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Band 4

Peter Hawig
'Die Offenbach-Renaissance findet nicht statt'
Stationen der Autorinszenierung im Spätwerk von Karl Kraus (1926-1936)


Inhalt: Die Art, wie der Herausgeber der „Fackel” sich öffentlich darstellte, „inszenierte”, ist facettenreich und hat Entwicklungen durchgemacht. Als Vorleser füllte Kraus mühelos Konzertsäle in Wien und überzeugte sogar die meisten seiner Gegner. „Wer ihn gehört habe”, so sagte man dem jungen Elias Canetti, „der wolle nie mehr ins Theater gehen, das Theater sei langweilig verglichen mit ihm, er allein sei ein ganzes Theater, aber besser…”

Das sogenannte „Theater der Dichtung” macht einen wichtigen schriftstellerischen wie darstellerischen Bestandteil des Wirkens von Karl Kraus (1874–1936) aus, und das Werk von Jacques Offenbach (1819–1880) nimmt darin einen herausragenden Platz ein. Die Rezeption Offenbachs im deutschsprachigen Raum ist ohne Karl Kraus, seine „Fackel”, seine Vorlesungen und Werkrekonstruktionen nicht denkbar. Wie die beiden satirischen Genies genau mit- und untereinander zusammenhängen, hat sich die vorliegende Studie zur Aufgabe gemacht herauszuarbeiten.

Beider Gemeinsamkeit liegt im Grundprinzip der „Referentialität”, in Verfahren des offenen oder versteckten Zitats und einer jeweils verzwickten Anspielungstechnik, die alle Authentizität infrage stellt. Offenbach und Kraus scheinen also quasi „füreinander geschaffen” gewesen zu sein: Nicht nur die Ziele satirischer Kritik (dumme Obrigkeiten, verantwortungsloses Militär, unfähige Polizei, die „Journaille”, die verführbare Masse) fand Kraus in „Blaubart”, der „Großherzogin von Gerolstein”, „den Briganten”, der „Insel Tulipatan” , der „Seufzerbrücke” vorgebildet, sondern auch die Methode, im Spiel mit vorgegebenen Bausteinen – sei es der kulturellen Tradition, sei es der bedrängenden Gegenwart – das Echte vom Unechten zu scheiden, Hohlheit und Phraseologie als solche zu entlarven und so existentielle Bedrohungen im künstlerischen Umwandlungsprozess bannen zu können.

In der vorliegenden Arbeit wird die inhaltliche Ebene der „Einschöpfung” Offenbachs in den satirischen Diskurs der „Fackel” mit einer aktuellen theoretischen Fragestellung literaturwissenschaftlicher Art korreliert: der nach der Autorinszenierung des Karl Kraus. Die Arbeit stellt 15 verschiedene Rollenmasken vor bis zu jener letzten, mittels derer der Autor sich in den Figuren Offenbachs dekonstruiert und der Musik gegenüber dem „entschlafenen” Wort das Feld überlässt. Offenbach ist bis zur letzten der Rollenmasken das unentbehrliche Requisit.

Die Arbeit stellt außerdem alle 14 Offenbach-Bearbeitungen Kraus‘ in den Zusammenhang von dessen übriger tagesaktueller und künstlerischer Arbeit und widmet den letzten sechs der Bearbeitungen exemplarische Einzelanalysen, die die Herangehensweise des Autors exemplarisch verdeutlichen: „Die Seufzerbrücke”, „Die Schwätzerin von Saragossa”, „Perichole”, „Vert-Vert”, „Die Reise in den Mond”, „Die Kreolin”. Die viel berufene „Offenbach-Renaissance” scheiterte an den Zeitumständen und den Zeitläuften, an der Unfähigkeit von Sängern und Theaterdirektoren, an der großen Politik ( „Mir fällt zu Hitler nichts ein” ), aber auch an Kraus‘ Intransigenz gegenüber den Bedingtheiten des Theaterbetriebs.

370 Seiten, 1 Abbildung, 1 Notenbeispiel

ISBN 978-3-929379-38-9
Erscheinungsjahr 2014
Preis 44€